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von ANDRZEJ STASIUK

Die Donau fließt gegen den Strom der Zeit. Sie wälzt ihr Wasser aus der Neuzeit in die Vergangenheit, aus der Aktualität ins Vergangene. Je länger sie wird, desto älter wird sie. In ihrer Mündung leben tausendjährige Welse und Scharen von Pelikanen, die aussehen wie fliegende Reptilien. Hier sammelt sich der Schlamm aus dem Innern Europas.
Die Donau entspringt in den östlichen Hängen des Schwarzwalds. Einmal habe ich ihr dünnes Rinnsal von einem hohen Bahnviadukt aus gesehen. Ich fuhr von Zürich nach Tübingen, von der Schweiz nach Deutschland, ich fuhr durch Städte und Städtchen, die sich über Jahrhunderte ausbreiteten, mit ihren Kirchen, deren Fundamente zu Anfang des Heiligen Römischen Reiches errichtet wurden.
Und immer, wenn ich im Delta oder in der Dobrudscha bin, erinnere ich mich an die Quelle des Flusses und an seinen oberen Lauf, der Wasser aus der Tiefe der europäischen Geschichte führt, die sich ununterbrochen mit der Gegenwart und der Zukunft verbindet.

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